Ob genereller Strukturwandel, sich veränderndes Einkaufsverhalten oder – wie jüngst geschehen – massive Einschränkungen durch unvorhergesehene Ereignisse wie die Corona-Pandemie. Fest steht: Stationäre Einkaufsstandorte in Quartieren unterliegen einer Dynamik, die womöglich zur Folge hat, dass Ladengeschäfte – speziell inhabergeführt – sich kaum noch lohnen.
Welche Perspektive hat das Einkaufen vor Ort, zum einen generell, zum anderen spezifisch je Produkt und je Mikrostandort? Welche Maßnahmen sind geeignet, um den lokalen Einzelhandel zu unterstützen und die Nahversorgung in Quartieren langfristig zu sichern?
In 2020/2021 sind hierzu zahlreiche Aktivitäten und Diskussionen angestoßen worden. Unser Artikel bietet Ihnen einen kleinen Überblick mit folgenden Themen:
Die IG Fuhle führt schon seit vielen Jahren Netzwerk-Treffen durch, die sich der Entwicklung des Standorts Fuhlsbüttler Straße und Barmbek-Nord widmen. Hier bringen wir regelmäßig Akteure zusammen, die im weitesten Sinne an der Standortentwicklung beteiligt sind: Eigentümer, Entwickler, Baugenossenschaften, Wohnungsgesellschaften, Expansionsmanager, Makler, Architekten und Firmenzentralen sowie Vertreter aus Politik und Verwaltung. Inhaltlich standen die zahlreichen Baumaßnahmen im Fokus.
In 2020 plante die IG Fuhle erstmals das Veranstaltungsformat „Barmbeker Dialog“, dies als Nachfolger für das seit sieben Jahren stattfindende „Netzwerk-Treffen Barmbek-Nord“. Ziel war es hierbei, mit Podiumsgästen konstruktiv über Entwicklung und Zukunftsperspektiven Barmbek-Nords zu diskutieren. Dies nicht nur, aber auch unter dem Einfluss der Corona-Pandemie. Letztere führte dazu, dass das Event abgesagt werden musste, für einen neuen Anlauf stehen wir jedoch schon „in den Startlöchern“.
Die Kommunikation mit Vertretern aus der Politik ist eine beständige Tätigkeit, der wir uns widmen. Hierzu nehmen wir Themenbereiche auf, die von unseren Mitgliedern als besonders dringlich erachtet und an uns herangetragen werden. Besonders häufig sind das Themen wie Sauberkeit, Begrünungsmöglichkeiten, Mietpreissituation und Leerstand im Umfeld der Fuhlsbüttler Straße.
Die Kommunikation über Online-Medien ist generell, aber speziell auch in Zeiten des Lockdowns, eine der wichtigsten Möglichkeiten, um unsere Mitglieder zu unterstützen. Mit Internetportal, Social Media-Aktivitäten und Email-Newsletter erreichen wir regelmäßig eine breite Leserschaft und tragen somit dazu bei, die Angebote von Gewerbetreibenden und Akteuren aus den Bereichen Kultur und Soziales im Stadtteil bekannt zu machen. Diese Strategie fahren wir nicht nur fort, sondern erweitern sie Schritt für Schritt. In 2021 aktualisieren wir unseren Internetauftritt mit dem besonderen Augenmerk auf Barrierefreiheit. Somit können Inhalte zukünftig zum einen auf allen Endgeräten aufgerufen werden. Zum anderen werden Inhalte so dargestellt, dass Menschen mit Beeinträchtigungen, zum Beispiel einer leichten Sehschwäche, diese besser lesen können.
Das gemeinsame und solidarische Handeln bekommt in diesen sehr besonderen Zeiten noch mehr Bedeutung. Wir fahren unseren Kurs aus 2020 fort und zeigen Angebote auf, die für Gewerbetreibende besonders interessant sind. Hierzu gehören beispielsweise diverse Online-Portale, in die Angebote kostenfrei eingetragen werden können. Auch die Aktivitäten und Angebote regionaler Partner werden von uns natürlich kommuniziert. Hierzu gehören beispielsweise die Hamburg Tourismus GmbH, Handelskammer, Wirtschaftsförderung des Bezirksamts sowie andere Interessengemeinschaften in Hamburg.
Angestoßen von der IG Mühlenkamp, entstand 2020 ein fruchtbarer Dialog zwischen Interessengemeinschaften aus Hamburg-Nord. Auch wenn alle Quartiere sehr individuell verschieden sind, so eint uns doch die Frage, wie lokale Geschäfte bestmöglich unterstützt werden können. Ein gemeinsamer Nenner ist zudem die Erkenntnis, dass es ohne Unterstützung aus der Politik nicht geht. Bei der Zusammenarbeit zwischen den IGs geht es also nicht nur darum, Problemfelder zu erkennen und Maßnahmen zur Verbesserung zu entwickeln, sondern auch die Unterstützung der öffentlichen Hand – organisatorisch und monetär – einzufordern, sowie eine generelle bessere Einbindung von Interessengemeinschaften als Vertreter der lokalen Gewerbetreibenden zu erreichen.
Was uns besonders freut: Die Aktivitäten der letzten Monate zeigen schon viel Wirkung. Nach der Bereitstellung erster Fördermittel in Dezember 2020 durch den Bezirk Hamburg-Nord, stehen weitere Sitzungen und direkte Gespräche an, um die Forderungen der Interessengemeinschaften des Bezirks zu diskutieren.
Ganz konkret 2020/2021 wurde ein Forderungskatalog mit 17 Punkten erarbeitet und an die Politik weitergeleitet. Der Katalog bildet ein breites Spektrum an Themen ab, wobei die Forderungen im Einzelnen für jede IG eine andere Gewichtung haben mögen, im Tenor geht es aber um Themen, die uns alle angehen bzw. betreffen:
• Hoheitliche Aufgaben müssen besser durchgeführt werden, z.B. Reinigung, Begrünung, Stadtmobiliar pflegen.
• Die IGs – als zentrale Ansprechpartner im Quartier – müssen besser informiert und eingebunden werden, z.B. wenn es um Verkehrsplanung, Umbaumaßnahmen und das Management von Flächen/Leerständen geht.
• Die IGs benötigen monetäre Unterstützung für Marketingaktionen, offline wie online.
Wie bewertet ein Experte für Einzelhandel den Forderungskatalog mit Betrachtung auf Barmbek-Nord? Wir haben uns mit Andreas Bartmann (Geschäftsführer von Globetrotter Ausrüstung und Vizepräsident des HDE – Handelsverband Deutschland) unterhalten. Herr Bartmann kennt Barmbek-Nord sehr gut: Seit rund 40 Jahren ist er hier geschäftlich aktiv und hat den Wandel des Stadtteils genau beobachtet.
IG Fuhle: Herr Bartmann, wie sehen Sie Barmbek-Nord, was macht es aus?
AB: Barmbek-Nord hat sich ganz deutlich zum Positiven verändert. Viele bauliche Maßnahmen haben dazu beigetragen. Auch die Klientel hat sich gewandelt, sowohl die Bewohner als auch die Menschen, die hierher zum Arbeiten kommen. Doch auch wenn sich der Stadtteil vom „Arbeiterviertel“ entfernt, so wird er doch auch kein touristischer Hotspot werden. Die Regionalität ist und bleibt Barmbeks Trumpf. Hier wird gewohnt, gearbeitet und eingekauft. Auch gibt es hier noch Nachbarschaft und Miteinander.
IG Fuhle: Was bedeutet das für die Geschäfte vor Ort?
AB: Der Kern liegt auf der Nahversorgung, und das macht einen Stadtteil wie Barmbek-Nord auch durchaus etwas resistenter gegen Krisen, wie wir sie gerade erleben. Es wäre aber ein Fehler, sich jetzt auf dem Erreichten auszuruhen. Es ist wichtig, jetzt nicht nachzulassen und gemeinsam den Standort zu gestalten.
IG Fuhle: Interessengemeinschaften aus dem Bezirk Hamburg-Nord haben sich jetzt zusammengetan und einen Forderungskatalog für die Politik zusammengestellt. Wie bewerten Sie diese Aktion?
AB: Ich unterstütze das ausdrücklich, denn es ist wichtig, das zur Sprache zu bringen, was benötigt wird. Ein solcher Katalog ist vor allem eine gute Grundlage, um tiefer in einzelne Themen einzusteigen und gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Und auch wenn die unterschiedlichen Interessengemeinschaften für verschiedene Quartiere stehen und Problemlagen unterschiedlich sein mögen: Es gibt eine ganze Reihe von Themen, die alle betreffen, beispielsweise Sauberkeit oder die Frage, wie mit Leerstand umzugehen ist.
IG Fuhle: Welche Forderungen im Einzelnen halten Sie für sinnvoll, welche ggf. für problematisch?
AB: Die optische Wirkung eines Viertels ist seine „Visitenkarte“. Deshalb sind alle Forderungen, die in Richtung Reinigung der Gehwege und Müllcontainer und Ähnliches gehen, sehr richtig und wichtig. Es kann dabei auch nicht die Lösung sein, solche Aufgabengebiete auf beispielsweise BIDs abzuwälzen, denn es sind nun mal städtische Angelegenheiten.
Was die Rolle von Interessengemeinschaften angeht, so sollte es selbstverständlich sein, diese einzubinden, denn sie sind wichtige Knotenpunkte. Das muss auch den zuständigen Stellen in der Verwaltung immer wieder klar gemacht werden.
Besonders befürworte ich auch die Forderung Parkscheiben statt Parkautomaten für 2021 und 2022, hierdurch ist einfach mehr Flexibilität und Kundenfreundlichkeit gegeben.
Der Wunsch, Vorgaben zur Gestaltung von Leerständen im Einzelhandel gegen den Eindruck der Verwahrlosung durchzusetzen, ist sicherlich so ein Fall, der schwierig wird. Wenn kein Eigeninteresse des Eigentümers besteht, gibt es da kaum eine rechtliche Handhabe.
Das Thema Ladenöffnungszeiten ist auch ein Punkt, der noch weiter diskutiert werden sollte, was die konkrete Forderung angeht. Ein Online-Händler hat grundsätzlich 24 Stunden auf, für ein stationäres Geschäft ergibt das wenig Sinn.
Im Gegenzug wäre es ein guter Ansatz, wenn sich Gewerbetreibende an einem Standort auf feste Kernöffnungszeiten einigen und diese den Kunden kommunizieren. Zum Beispiel: „Zwischen 10 und 18 Uhr ist die Fuhle für dich da“. Das schafft Sicherheit für Kunden, die wissen, dass sie zu bestimmten Zeiten alles verlässlich an einem Standort erledigen können.
IG Fuhle: Herr Bartmann, eine abschließende Frage. Welches ist Ihr Fazit, bzw. Ihre ganz persönliche Forderung an die Politik?
AB: Ideen und Maßnahmen mögen noch so sinnvoll sein – ohne Geld wird es nicht gehen. Es müssen entsprechende Budgets bei den verantwortlichen Stellen eingestellt werden. Nehmen Sie das Beispiel Stadtmobiliar. Da gibt es einfach eine begrenzte Lebensdauer und hier muss auch einfach Budget in die Hand genommen werden, um solch Mobiliar regelmäßig zu ersetzen.
IG Fuhle: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Tina Voggenreiter am 8. Februar 2021.